Die Loreley: Verführung als kulturelles Motiv
 
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Hannelore Scholz ~ Definitionen: Verführung

Hannelore Scholz

Definition: Verführung

VERFÜHREN


• „VERFÜHREN [mhd. vervüeren=weg-, irreführen, ahd. firfuoren=wegfahren]: a) jmdn. dazu bringen, etw. Unkluges, Unerlaubtes gegen seine eigentliche Absicht zu tun: jmdn. zum Trinken v.; der niedrige Preis verführte sie zum Kauf; darf ich sie zu einem Bier v.? (ugs. scherzh.: einladen?); b) zum Geschlechtsverkehr verleiten: er hat das Mädchen verführt;
• VERFÜHRER, der; s, -; jmd., der jmdn. [zu etw.] verführt [hat];
• VERFÜHRERISCH : a) geeignet, jmdn. zu etw. zu verführen: das Essen riecht ja [äußerst] v.; b) äußerst attraktiv, reizvoll: sie sieht v. aus;
• VERFÜHRUNG, die; -, -en: 1. das Verführen. 2. Reiz, anziehende Wirkung: die Verführungen der Werbung;
• VERFÜHRUNGSKUNST, die: Kunst (2) der Verführung“.(1)

VERFÜHRER UND VERFÜHRTE:

„Verführung, d.h. die durch Versprechungen, Drohungen, Alkoholeinfluß oder Erregung der Sinnlichkeit erzielte Willfährigkeit eines unbescholtenen Mädchens zum Geschlechtsverkehr wird meist dann zum Problem, wenn das Liebesverhältnis nicht zu einer dauernden Bindung führt, sondern vom Mann, indem er das Mädchen verläßt, abgebrochen wird. In (der) Einrichtung des Konkubinats [vorchristliche Zeit] genoß (...) ein verführtes, d.h. mit eigener Einwilligung ihres Jungfrauentums beraubtes Mädchen den Schutz einer Institution, die es nicht als ehrlos preisgab. Das verführte und verlassene Mädchen ist eine Folgeerscheinung der christlichen (...) Einehe, die als einziger Status, in dem „unheilige“ und „unreine“ Gelüste ungestraft befriedigt werden konnten, ein Zugeständnis an die fleischliche Schwäche des Menschen war. Konkubinat bedeutete für die Kirche eine Negierung der geforderten Monogamie (...) und fiel unter den Begriff der Hurerei, eine der Haupt- und Todsünden. Die Schwere der Strafe fiel dabei besonders auf die Frau, die schon an sich als Tor des Teufels galt und deren Verfehlung an der Frucht ihrer Tat erkannt werden konnte, während der Mann nur bestraft wurde, wenn man ihn ertappte und überführte; ein Eheversprechen vor Zeugen (...) konnte ihn haftbar machen. Stoffgeschichte wird in Beziehung gesetzt zu Realgeschichte (z.B. Kindsmord als Straftat).“(2)

DIE DÄMONISCHE VERFÜHRERIN:

„Unter den verschiedenen Rollen, die eine Frau bei einer Liebesbeziehung spielen kann, hat die Literatur auch diejenige zu einem traditionsbildenden Schema ausgeformt, die der Frau eine unwiderstehliche Anziehungskraft und einen magisch-dämonischen Charakter zuschreibt, durch die sie den Mann nicht nur erotisch an sich bindet, sondern ihn auch von seinen höheren Interessen und Aufgaben ablenkt, seine Moral untergräbt und ihn meist ins Unglück stürzt. Allerdings ist diese Bindung nicht immer rein negativ, sondern häufig ambivalenter Art, indem sie dem verführten Mann ein Höchstmaß an Liebeserfüllung beschert. Traditionen: biblisch-christlich (Eva...), klassisch-antik (Pandora, Circe, Sirenen...) sowie Märchentyp (Mahrtenehe)“(3)

VERFÜHRUNG ZUR SÜNDE:

„Geschieht aus böser Absicht, nicht nur aus Fahrlässigkeit; „Versuchung“ meint eher einen Gewissensvorgang. Motive heimlicher oder offener Verführung sind: Perversionen, Egoismus, Suche nach Genossen der Sünde, Heilsneid („teuflische Verführung“). Gott verabscheut die Verführung (...). Sie gefährdet das Seelenheil, ist Sünde gegen die Liebe und gegen andere Tugenden, zieht Wiedergutmachungs-Pflicht nach sich. Kollektive Formen der Verführung sind u.a.: Demagogie, Lügenpropaganda totalitärer Systeme, Profitgier (Vergnügungsindustrie, Mißbrauch der Massenmedien usw.). Die progressive Massenverführung zu einem profanen Verständnis von Welt und Dasein, ohne Sinn für Gott und Sünde, verrät das Wirken personaler Gewalten und Mächte des Bösen (Dämon, Teufel). Zur Abwehr der Verführung (Anzeige der Verführung bei den Verantwortlichen, Jugendschutz) muß die positive Überwindung (...) hinzukommen: Gebet, Ehrfurcht, Zucht und Maß; Bildung aktiver Eliten, Heilung der Strukturen der Umwelt“(4)

VERFÜHRUNG ALS KULTURELLES MOTIV IN DER DEUTSCHEN LITERATUR UND KUNST:

Verführung hat als Motiv in der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte eine lange Tradition. Es ist häufig an das Motiv Versuchung gekoppelt:
1. Laut katholischer Glaubenslehre ist die Versuchung, „die in der sinnen- und triebhaften Natur, der Begierlichkeit des Menschen wurzelnde Verlockung zum Bösen, die von Gott - der nicht Urheber der Versuchung ist [...] - zur sittlichen Erprobung des Menschen zugelassen wird.“ (Brockhausenzyklopädie, Wiesbaden 1974, S. 569) Fassen wir die leicht differierenden Definitionsversuche im religionsgeschichtlichen Rahmen zusammen, so ist unter Versuchung alles zu verstehen, „was den Menschen zu Unglauben und Ungehorsam gegenüber Gott“ treibt. Nach dem Zeugnis der Evangelien ist auch Jesus versucht worden wie andere Menschen durch die Verlockungen von Sinnenglück, Massenberauschung und Weltherrschaftsanspruch. Zugleich durchschaute er aber den Angreifer, konnte ihn abwehren und überwinden - darin war er einmalig.
Die Versuchung und Verführung zur Sünde aber hielt an. Versuchung und Verführung als Motivkomplex ist mehrdimensional. Verführung geschieht heute nicht immer nur mit böser Absicht oder aus Fahrlässigkeit. Während Versuchung mehr einen Gewissensvorgang, ein Training des Widerständigen bedeutet, sind Motive der Verführung (offene oder heimliche) auf höchst unterschiedlichen Ebenen anzusiedeln.
Verführung weist nicht nur auf den Bereich der Erotik. Es gibt eine Vielfalt von Verführungen, die nicht nur Wandlungen und Modifizierungen des Motivs, sondern auch eine Aufspaltung, Verknüpfung und Übertragung auf andere Bereiche darstellen. Im erweiterten Begriffsfeld von Verführung sprechen wir von Verführung zur Gewalt, von politischer und kommerzieller Verführung.
2. Verführung kann als spezifische Kommunikationssituation aufgefasst werden, als ein manipulativer Akt, an dem eine oder mehrere Personen beteiligt sind. Verführung als Tätigkeit verweist auf eine Interaktion an der Oberfläche, deren Wesen der Schein ist und die im Raum der Inszenierung stattfindet. Verführer und Verführte sind - wenn auch mit unterschiedlichen Intentionen - daran beteiligt.
Die lila Milkakuh, die majestätisch durch die sattgrüne Alpenlandschaft schreitet, wird in der Werbung begleitet mit dem gesungenen Text: „Milka, die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt.“ Die Kommunikationssituation ist eindeutig und hat kommerziellen Charakter.
Brad Pitt als makabrer Lover betreibt, so lesen wir in der Zeitschrift „Freundin“ Nr. 67, Verführung aus dem Jenseits. Die anspruchsvolle, bewegende Love-Story „Rendezvous mit Joe Black“ (Regisseur Martin Brest) anzusehen, ist Ziel der Werbung. Sie setzt auf die großen Gefühle - ganz dem heutigen Trend entsprechend - zu denken etwa an „Titanic“ oder den Soldaten Ryan in Spielbergs Film „Der Soldat Ryan“. Inszenierung von Gefühlen als manipulativer Akt arbeitet bei diesem Beispiel auch mit brillanten Schauspielern.
3. Verführung als Szenario von Körperlichkeit und Sinnlichkeit wird so präsentiert, dass ein sexuelles oder erotisches Begehren geweckt wird. Der Fernsehsender RTL wirbt mit drei „süßen Jungs aus der Schillerstraße“. „Deine tägliche Versuchung. Laß Dich verführen. Wir zeigens Ihnen“.
Verführerische Blicke, reizvolle Oberkörper der drei jungen Männer. Das Szenario arbeitet mit Mehrdeutigkeiten. „Laß Dich verführen. Wir zeigens Ihnen“ verheißt unterschwellig mehr als Fernsehen und spielt mit Sexualität und Erotik. Auffällig war für mich, dass nicht nur in der Pornoindustrie, sondern auch in exklusiven Mode- und Fachjournalen nicht mehr das Paar als Verführungsarrangement dominiert, sondern Dreiergruppen (Zwei Männer eine Frau, zwei Frauen ein Mann, drei Männer, drei Frauen). Die Werbepose um das Objekt der Begierde wird in diesem Spiel spannungsvoll verstärkt.
4. Verführung ist gebunden an die Überwindung von Widerstand. In der Moderne hat das Subjekt kaum noch gesellschaftliche Sanktionen zu überwinden. Verführung wird zum „Spiel“, zu einer symbolischen Inszenierung eines Metabewusstseins, die sich auf ein kulturelles Repertoire im Literarischen, in der Musik, Malerei, im Film und im Fernsehen beziehen kann.
5. Im erotischen Zusammenhang der Verführung geschieht die Manipulation längst nicht mehr durch den skrupellosen Verführer, der das unschuldig-naive Mädchen mit heimtückischen Methoden zum Geschlechtsakt überredet.
Die Manipulation ist Teil eines Kommunikationsmechanismus, der von allen Beteiligten bedient und kalkuliert wird. Diese Interaktion ist eine Beziehung und wie jede Beziehung ein Machtverhältnis. Im Patriarchat sind diese Machtverhältnisse als Mann-Frau-Beziehungen je nach historischer Phase klar formuliert, und die soziale Rollenverteilung mit unterschiedlichen Erklärungsmodellen in der symbolischen Ordnung verankert. Verführung als manipulativer Akt greift in diese Machtverhältnisse ein und verschiebt sie.
6. Im erotischen Kontext sind es gewöhnlich kurzfristige Machtverschiebungen, die die Herrschaftsverhältnisse im Privaten und Öffentlichen zunächst instabilisieren können. Der „Spieltrieb“ als Verführungsmotiv kann in der Institution Ehe gebändigt werden und stabilisiert dadurch gesellschaftliche Strukturen.
7. Die Liebe in einer Beziehung dagegen wirkt subversiv und anarchistisch. Diese revolutionierende Kraft kann, auf die Geschlechtsverhältnisse übertragen, auch durch die Ehe gebändigt werden.
Liebe und Verführung sind unterschiedliche Kommunikationssysteme, mit einer eigenen, allein diesem System immanenten Logik und unterliegen einem sozialhistorischen Wandel. Zwischen dem wohl berühmtesten Verführer Casanova und uns liegen nahezu zwei Jahrhunderte. Die Faszination an der Figur führte aus Unkenntnis und Missverständnissen zur Legendenbildung und bediente dadurch bestimmte Bedürfnisstrukturen. Man hielt ihn für einen Don Juan der Salons, einen Taugenichts und skrupellosen Verführer der Frauen. In der Realität aber war er ein Mann der Aufklärung, ein Freund der Frauen, der ihnen als Liebhaber gern zur Verfügung stand. Eine Lüstling auch, aber seine Lust war geteilte Lust, seine Lebensart eine „Einübung ins Glück“ wie die von Lydia Flen herausgegebenen Erinnerungen von Casanova euphorisch im Untertitel heißen. Sie gewinnt unter Missachtung des Mythos den Menschen, der im Alter im böhmischen Exil dreizehn Stunden am Tag seine Memoiren schrieb.
8. Unter sozialhistorischen Aspekten von Verführer und Verführten unterliegt das Motiv enormen Wandlungen. Hierzu bieten einschlägige Motivgeschichten überzeugende Längsschnitte. Elisabeth Frenzel fasst Verführung in ihrem Band „Motive der Weltliteratur“ (Stuttgart 1988, S. 756) folgendermaßen
„Verführung, d.h. die durch Versprechungen, Drohungen, Alkoholeinfluß oder Erregung der Sinnlichkeit erzielte Willfährigkeit eines unbescholtenen Mädchens zum Geschlechtsverkehr, wird meist dann zum Problem, wenn das Liebesverhältnis nicht zu einer dauernden Bindung führt, sondern vom Mann, indem er das Mädchen verläßt, abgebrochen wird“. (Frenzel, Elisabeth: Motive der Weltliteratur, Stuttgart 1988, S. 756)
Das verführte und verlassenen Mädchen ist als Konfiguration in der Kunst eine Folgeerscheinung der christlichen, im wesentlichen auf Paulus beruhenden Einehe. Sie war die einzige Institution, in der „unreine“ oder „unheilige“ Gelüste ungestraft befriedigt werden konnten. Im Zusammenhang der Aufklärung und der Säkularisierungsprozesse erhält das Verführungsmotiv Modifikationen. Aus der gutgläubigen, unwissenden „Naiven“, wird nun die naive, tugendhafte „Unschuldige“, die meist in den unteren Schichten angesiedelt wird, während ihr Verführer häufig einem höheren Stand angehört.
Die Einführung der Standesschranken in das Motiv ist Fiktion und belegt in der Realität den Beginn einer Neudefinierung der Bestimmung von Frau und Mann. Verstärkt wird die soziale Anklage in diesem Motiv durch den von den Stürmern und Drängern favorisierten Aspekt des Kindmordsmotivs. Auch bei ihnen steht das Moment der „Unschuld“ der Verführten, die ihr Kind durch soziale Nöte umbringt, im Vordergrund.
9. Die Motive der Verführer und der Verführten sind im 18. Jahrhundert auch charakterisiert durch Entführungsszenarien, die die tugendhafte Heldin unter moralkritischen Kriterien aufscheinen lässt. Von der Jahrhundertmitte bis zum Naturalismus wird die aufklärerische Tendenz im Motiv noch verstärkt. Im Mittelpunkt stehen die Verführten, deren Reaktionen breit gefächert sind. Der Selbstmord der Protagonistin ist die häufigste.
Die Auffächerung des Motivs in der Literatur des 19. Jahrhunderts betrifft beide Seiten. Sowohl der geniale Verführer, seine Motivationen und Strategien, als auch die Verführte stehen im Zentrum. Damit wird auch das klassische Verführungsszenario auf den Kopf gestellt. Im 20. Jahrhundert sind Verführungen keine strafbaren Handlungen mehr. Der exemplarische Fall von Kindesabtreibung und Kindestötung verliert an Härte, liefert aber dennoch durch die Patriarchatskritik gesellschaftliche Anhaltspunkte. Die anhaltende Diskussion um den Paragraphen 218 macht die Aktualität des Motivs augenfällig.
10. Betrachten wir Verführung unter funktionsgeschichtlichen Prämissen, lässt sich die Widersprüchlichkeit dieser Kategorie ebenfalls festhalten. Wolfram Mauser hat in Zusammenarbeit mit Barbara Becker-Cantarino in dem Band „Frauenfreundschaft-Männerfreundschaft“ (Tübingen 1991) wichtige Ausführungen geliefert.
Aus der naturrechtlichen Verankerung von Sittenlehre wurde Freundschaft eine sozialethische Kategorie, mit deren Hilfe es möglich schien, die naturhaft-sinnlichen Befriedigungswünsche des autonomen Subjekts zu versöhnen. Diese sozialethischen Freundschaftsprogramme standen im Widerspruch zur „Natur“ des Menschen. Seine Anlagen wie Heuchelei, Betrug, Leidenschaft, Gewalt, Korruption und Missbrauch von Machtstrukturen galten nicht mehr als Erbsünden, als Ausdruck des Bösen in der Welt, sondern auch als Äußerungsformen der lustvoll-gewalttätigen, triebhaft-zerstörerischen Natur des Menschen. Diese Einsicht hatte Folgen für das Nachdenken über die Bedürfnisbefriedigung des Menschen. Das Problem der Verführung hat in dieser spezifischen Konstellation seinen historischen Ort. Vor diesem Hintergrund sind Freundschaft und Verführung komplementäre Phänomene.
Der Bruch von Freundschaft und Vertrauen gehört zu den wirksamsten Strategien der Verführung. Emilia Galotti wird ihrem Vater beim Überreden zur Tötung entgegenhalten: „Verführung ist die wahre Gewalt“. Sie kann die Abwehrleistungen, die von ihr erwartet werden und die eigenen Glückserwartungen nicht vereinbaren und der Verführer hat obendrein die Genugtuung, die Natur auf seiner Seite zu wissen.
11. Verführung und Versuchung sind Themen, die in der Mehrzahl der Fälle aus männlicher Perspektive gedacht wurden. Sie entsprachen damit zwar der veränderten Bewusstseinslage (Naturrechtsdenken, Vertragskonzept, Leistungsdenken, Bewährungsdenken) meinten theoretisch auch eine Gleichwertigkeit von Frau und Mann, die jedoch weder in der Realität noch im Fiktionalen galten.
Wir haben es dagegen mit verschiedenen Mustern der Verdrängung und Kompensation zu tun. In der so genannten Geschlechtscharakteristikdebatte kamen drei Positionen zur Geltung, die Ausdruck von Legitimationszwang waren. Die Ab- oder Aufwertung der Frau, besonders die Ergänzungstheorien konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frau aus dem bürgerlichen Emanzipationsprojekt ausgeschlossen werden musste, um die neue Gesellschaft mit ihren neuartigen Familienstrukturen zu begründen.
Dies bedeutete in der Realität, sie auf ihre Rolle im Privaten als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. Was die männliche Imagination nun beflügelte waren nicht Entführungsszenarien, Beispiele gewaltsamer Bemächtigung, sondern der Versuch zu verführen. In der Frau ein von Natur aus triebhaftes und verführbares Wesen zu sehen, das ihre Tugendhaftigkeit nur durch Abwehr von Sinnlichkeit retten kann, zugleich aber Objekt der Begierde des Verführers ist, scheint ein Bündel von widersprüchlichen Bedürfnissen des männlichen Individuums zu sein. Die Beispiele von „Loreley“-Fassungen belegen das überzeugend.
In Richardsons „Pamela“ oder Choderlos de Laclos „Schlimme Liebschaften“ wird der Verführungskampf um den Sieg der Unschuld oder die raffinierte Sprödigkeit der Frau zu einem Kampf um Leben und Tod.
12. Die Kunst der Verführung tritt in einigen Texten der Romantik nicht nur als Motiv auf, sondern wird als Schreibverfahren präsentiert. Auf sehr unterschiedliche Weise wirken Texte durch Strukturen verführerisch. Die Verführung der Leserin oder des Lesers kann dabei durch einen erotischen Schreibstil wie in E.T.A. Hoffmanns „Don Juan“, Tiecks Novellen oder durch Darstellungen von Selbstverführungsszenarien wie bei S.Tieck auftauchen. Bei Wackenroder können wir lesen „Die Kunst ist eine verführerische, verbotene Frucht, wer einmal ihren innersten Saft geschmeckt hat, der ist unwiederbringlich verloren für die tätige lebendige Welt. Immer enger kriecht er in seinen selbsteigenen Genuß hinein“ Kunst als Selbstverführungsmodell ist auch in den Loreley-Gedichten präsent.

 

 

 
   
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